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Ratgeber Auto Ausgabe MSP

SEITE 16 FREITAG, 26.

SEITE 16 FREITAG, 26. APRIL 2019

FREITAG, 26. APRIL 2019 SEITE 17 leser öffnen ihre garagen „Eure Lordschaft“: Frank Schmidt mit seinem Ford Prefect, der aus England stammt. Rennpappe: Der mutmaßlich schnellste 500er Trabant steht in Altentreptow. Verrückte Autowelt in Altentreptow Frank Schmidt pflegt einen besonderen Autofimmel. Er hat in den vergangenen Jahren die mutmaßlich skurrilste Sammlung an Fahrzeugen in der gesamten Mecklenburgischen Seenplatte zusammengetragen. Doch der Unternehmer, Moderator, Zauberer und Ballonweltmeister sammelt nicht für die Garage, er teilt seine Sammlung auf Wunsch mit halb Deutschland. Von Konrad Wegener Altentreptow. Autobahn- Polizisten zum Staunen zu bringen, dazu gehört schon was. Porsche? Alltag. Ferrari? Dutzende Male gesehen. Lamborghini? Gähn ... Wenn allerdings ein 500er Trabant mit 210 Kilometer pro Stunde vorbei pfeift, werden auch gelangweilte Gesetzeshüter blitzschnell munter. Und so bog dann eines Tages direkt hinter besagter – übrigens in original Porsche- Metallicbraun lackierter – Rennpappe gleich noch ein Streifenwagen aufs Firmengelände von Frank Schmidt. Er betreibt in Altentreptow gemeinsam mit seiner Frau Stefanie seit 15 Jahren die Eventagentur Zwergenfeier und hat einen amtlichen Autofimmel, wie er freimütig zugibt. 500er Trabant ist ein Einzelstück aus Zwickau Die Beamten nahmen sich im Anschluss viel Zeit, um die rasende Chimäre aus 40 Jahre alter Duroplast-Karosserie und modernster „West“-Technik auf ihre Vereinbarkeit mit der Straßenverkehrsordnung hin zu überprüfen. Sie fanden – nichts. Also, natürlich sie fanden jede Menge, zum Staunen vor allem, und die Einträge und die Erweiterungen im Fahrzeugschein hätten für eine vergnügliche Abendlektüre gereicht, aber alles war legal. Angefangen beim bärenstarken G40-Polo- Motor über das Holzlenkrad und die schicken Alufelgen bis hin zur gigantischen Musikanlage, die den halben Kofferraum einnimmt. „Den habe ich aus Zwickau geholt, ein absolutes Einzelstück“, erzählt Frank Schmidt. Wenn er mal Redebedarf hat, muss er nur in dieses oder in eines seiner anderen 24 Autos steigen, um tanken zu fahren. Es ist fast sicher, dass ihn jemand anspricht. Das mag daran liegen, dass man in diesem ungewöhnlichen Fuhrpark kaum ein Auto findet, dass noch so ist, wie es einst das Werk verlassen hat. Abgesehen von den Oldtimern. Frank Schmidt mag einen Autofimmel haben, er hat vor allem einen ziemlich ausgefallenen. Das älteste Gefährt, eine Motor-Rikscha aus Asien, hat schon 110 Jahre auf dem Buckel. Mit 90 Jahren auch nicht mehr ganz taufrisch: ein Ford T-Modell, einst mit 15 Millionen Exemplaren das meistverkaufte Auto der Welt. Ein schneeweißer Daimler-Jaguar, ein äußerst seltener MG, ein originales London-Taxi und ein Rolls Royce-Cabrio erinnern an Zeiten, als der Glanz des britischen Automobilbaus noch so hell in die Welt strahlte wie die Kronjuwelen Ihrer Majestät, Queen Elisabeth II. Die Autos werden bei passenden Events ausgestellt oder dienen bei Filmen als Statisten. „Zu irgendeinem Thema passt immer eines der Autos“, sagt Frank Schmidt und lächelt verschmitzt. Mit kleinem Krabbeln fing alles an Mit dem Trabant des Westens, einem VW Käfer Cabriolet, fing alles an. „Davon habe ich schon immer geträumt, doch in der DDR war das natürlich utopisch“, gibt der Unternehmer gerne zu. Bald nach der Wende geriet der Traum jedoch in greifbare Nähe. Der auserwählte 58er Krabbelkäfer dann war in einem, sagen wir durchwachsenen bis durchlöcherten Zustand, als er den Besitzer wechselte. Doch der Käfer wurde aufgearbeitet, erhielt ein schickes Airbrush-Kleid und ist heute der Hingucker auf Messen und in Einkaufsstraßen. Nach und nach vergrößerte sich die Sammlung. Man könnte auch sagen, sie verlängerte sich. Eines der nächsten Familienmitglieder bei Zwergenfeier wurde nämlich eine 9,30 Meter lange Lincoln- Stretch-Limo, von den Amerikanern liebevoll-euphemistisch „Town Car“ genannt. Mit dem Wendekreis der Titanic ausgestattet, ist das Beherrschen dieses Luxusliners eine Kunst für sich. Wie niedlich nehmen sich da die kleinen Trabis aus, von denen Frank Schmidt gleich sechs besitzt. Normal – sprich serienmäßig – ist keiner von ihnen. Neben dem eingangs erwähnten Porsche-Verschnitt buhlen auch die anderen fünf Duroplastbomber eifrig um den Titel des verrücktesten Umbaus aller Zeiten. Da wäre zum Beispiel der Getränke-Trabi, ein zur rollenden Bar umgerüsteter 601 Kombi. Weltniveau auf zwei Rädern Oder der dazu passende Grill- Trabi mit Kühlanlage. Oder der Musik-Trabi, dessen Anlage mit ihren 1000 Watt sinus ausreicht, um zwischen 400 und 1000 Leute in die totale Tanzekstase zu wummern. „Der hat eine Extra- Batterie mit Ladestation“, verrät Frank Schmidt. Auch der Trabant Kübel und ein ganz in schwarz und auf edel getrimmter 601 sind alles – nur nicht normal. Ein Feuerwehr-Barkas und ein Wartburg der Volkspolizei ergänzen den Zweitakt-Reigen vortrefflich. Und weil die Ostalgie-Welle gerade so schön durchs Land schwappt, hat sich der Altentreptower irgendwann auch den zweirädrigen Preziosen des sozialistischen Straßenverkehrs gewidmet. Schließlich gab es Zeiten, da konnten Simson, MZ und Co. durchaus das in der DDR viel beschworene „Weltniveau“ bieten. Und wenn dann Spatz, Star, Habicht, Schwalbe, S51, Berlin-Roller und SR2 zum Oldtimertreffen am 1. Mai durch Altentreptows Gassen fahren, kann man am Straßenrand die sehnsuchtsvollen Blicke der Generation 40+ sehen, wie sie der Parade mit einer Träne im Knopfloch hinterher schmachten und im Chor denken, flüstern und seufzen: „Ach, guck mal, so einen hatte ich auch mal …!“ Zeitlos: Die Eleganz dieses Daimler Jaguar zeugt von vergangener Pracht. Fotos (3): KonRAD WEGEner

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